Fünf
empfehlenswerte Bibelübersetzungen (Teil I)
(von Stefan Wittmann)
[Update: August 2008]
Jeder,
der sich eingehender mit der Bibel beschäftigt, stellt sich
irgendwann die Frage, wie zuverlässig seine
Bibelübersetzung
eigentlich ist. Die Vielzahl von existierenden Übersetzungen
–
ich besitze inzwischen 43 verschiedene deutsche Bibelversionen
–
kann jedoch erst einmal sehr verwirrend sein.
Jede
Übersetzung hat natürlicherweise ihre
Schwächen, die
eine mehr, die andere weniger. Jeder, der selbst schon einmal einen
längeren Text aus einer anderen Sprache übersetzt
hat, wird
dabei bemerkt haben, dass keine Übersetzung hundertprozentig
den
Inhalt des Originals wiedergeben kann. Dennoch gibt es einige
Bibelübersetzungen, denen man vertrauen kann. Leider sind
diese
in dem Wust von Bibeln und Empfehlungen nicht einfach zu entdecken.
Deshalb
will ich im Folgenden die fünf Bibelversionen vorstellen, die
jede für sich in ihrer Übersetzung
zuverlässig genug
und somit vertrauenswürdig ist. Um jedoch möglichst
genau
zu wissen, was in der jeweiligen Bibelstelle steht, und um
gelegentliche Schwächen der Übersetzung zu umgehen,
rate
ich jedem ernsthaften Bibelleser dazu, wenigstens zwei der folgenden
Bibeln nebeneinander zu benutzen.
Teil
I:
Worin unterschieden sich die verschiedenen Bibelübersetzungen?
Bevor
ich auf die einzelnen Bibeln eingehe, will ich im ersten Teil kurz die
zwei
wesentlichen Kriterien ansprechen, in denen sich
Bibelübersetzungen
unterscheiden. Dies ist zum einen die verwendete Textgrundlage der
Übersetzung und daneben die Übersetzungsmethode.
1.
Die Textgrundlage:
Das
griechische Neue Testament ist in über 5000 Handschriften
überliefert. Diese stimmen in nahezu 98% der Fälle
überein. In den restlichen 2% der Verse gibt es Variationen
zwischen den einzelnen Manuskripten, die Lesarten
genannt
werden. Nach diesen Lesarten kann man die Handschriften in sog. Texttypen
einteilen. Die verschiedenen
Ausgaben des
griechischen Neuen Testaments folgen im wesentlichen einem der zwei
allgemein anerkannten Texttypen:
Dem byzantinischen oder dem alexandrinischen
Texttyp.
1.
Textus
Receptus
/ Mehrheitstext
Dieser
beruht auf dem byzantinischen Texttyp,
dem mit über
90% die meisten der griechischen
Handschriften des Neuen
Testaments angehören. Seit dem 4. Jahrhundert war er in allen
Gebieten des Christentums der dominierende Texttyp.
Viele spezifisch byzantinische Lesarten finden
sich auch in den ägyptischen Papyrus-Handschriften
vor dem 4. Jahrhundert, es gibt jedoch kein rein byzantinisches
Manuskript vor dem 4. Jahrhundert. Anhänger dieser
Textgrundlage
meinen, dass auch vor dem 4. Jahrhundert der byzantinische Texttyp
überall dominierte und die ägyptischen Papyri nur
eine
lokale Sonderform darstellen.
2.
„Kritischer Text“
(Nestle/Aland und Vorläufer)
Dieser
beruht auf dem alexandrinischen Texttyp, der aus den
ägyptischen
Papyri und einigen wichtigen Kodizes (v.a. Vaticanus und Sinaiticus)
rekonstruiert wird (eigentlich regelrecht zusammen gestückelt
= eklizistisches Verfahren).
Das
Ergebnis ist ein Text, der sich schon in kleineren Portionen (4-5
Verse hintereinander)
so in keiner bekannten Handschrift wiederfindet, sondern aus den
verschiedenen Lesarten vieler Manuskripte zusammengewürfelt
wurde. Die überwältigende Mehrheit der Textkritiker
geht
davon aus, dass der in den ägyptischen Papyri und den zwei
ältesten (und einigen weiteren) Kodizes gefundene
alexandrinische Texttyp dem Original am nächsten kommt, selbst
wenn man keine Erklärung für die ab dem 4.
Jahrhundert
auftretende Dominanz des byzantinischen Texttyps hat.
Mein
Fazit:
Meiner Meinung nach
gibt der Textus Receptus (zusammen mit dem Mehrheitstext) am
besten den Text der Originalmanuskripte des Neuen Testaments wieder.
Denn die Argumente für den byzantinischen Texttyp wiegen
schwer:
- Von der Zeit an,
seitdem wir griechische Manuskripte aus allen
(geographischen) Gebieten des Christentums haben, dominiert er in
ungeheurerem Ausmaß die Überlieferung.
- Die
spezifischen byzantinischen Lesarten in den frühen
ägyptischen Papyri zeigen an, dass dieser Texttyp auch schon
vor dem 4. Jahrhundert existiert haben muss.
- Die
Argumente, die angeblich beweisen, dass der byzantinische Texttyp am
spätesten entstanden und dabei aus den anderen Texttypen
zusammengefügt sei, haben sich als nicht stichhaltig erwiesen.
- Zuletzt
kann auch das Ergebnis des eklizistischen Verfahrens, der kritische
Text nach Nestle/Aland, nicht überzeugen. Wie will man
erklären, dass der Originaltext des Neuen Testaments in den
ersten zwei bis drei Jahrhunderten so zerschreddert wurde, dass sich
kein Manuskript mehr finden ließe, das mehr als fünf
Verse dieses Originals unverändert beibehalten hat?
Die Unterschiede zwischen dem
Textus Receptus bzw. dem Mehrheitstext
machen zwar wie gesagt nur 2% des Bibeltextes aus,
und keine zentrale theologische Position hängt entscheidend
davon ab, welchen griechischen Text man verwendet. Jedoch hat die
verwendete Textgrundlage durchaus einen Einfluss auf die Auslegung
einzelner Bibelverse und die Beurteilung christlicher Lehraussagen.
Des weiteren ist der kritische
Text wesentlich kürzer als der Mehrheitstext, alle
ausgelassenen
Verse und Wörter zusammengenommen
ergeben den Umfang des Epheserbriefs. Und die Unterschiede
haben zudem einen zwar leichten, aber doch
spürbaren Einfluss auf die Stimmung des Textes: Im
kritischen Text sind Lehren wie die Göttlichkeit Jesu, die
Dreieinigkeit
u.s.w. weniger deutlich ausgeprägt als im Mehrheitstext.
Als dies führt dazu, dass ich für mich
persönlich eine Bibelübersetzung nach
dem Textus Receptus / Mehrheitstext deutlich bevorzuge.
Durch
die unterschiedlichen Übersetzungsmethoden
entstehen jedoch des öfteren
bedeutsamere Unterschiede zwischen den einzelnen Bibelversionen als
durch die verwendete Textgrundlage.
2.
Die Übersetzungsmethode:
1.
Die Formal-gleiche Übersetzung:
Diese
Übersetzung gibt lediglich das wieder, was im
ursprünglichen
Text steht - ohne eigene Interpretationen. Es gibt hier zwei wichtige
Unterformen:
Der
vorliegende Text wird Wort für Wort übersetzt, dabei
wird – soweit möglich
– jedes Wort des
Originaltextes mit einem entsprechenden deutschen Wort wiedergegeben.
Das Ergebnis wird dann in die Reihenfolge gebracht, die dem deutschen
Satzbau entspricht.
Unnötige
Härten der
Ursprungssprache werden meist aufgelöst, die grammatikalischen
Konstruktionen bleiben aber weitgehend erhalten. (So wird
beispielsweise darauf geachtet, dass ein Substantiv mit einem
Substantiv und ein Verb mit einem Verb übersetzt wird.)
Wo
ein Wort um der Verständlichkeit willen der
Übersetzung
hinzugefügt werden musste, wird dieses normalerweise
gekennzeichnet.
Im
Gegensatz zur wörtlichen Übersetzung werden hier
meistens
die grammatikalischen
Strukturen aufgelöst, wenn der Text dadurch
verständlicher
wird (z.B. ein Substantiv wird im Deutschen durch ein Verb
wiedergegeben). Außerdem werden die der
Verständlichkeit
willen hinzugefügte Wörter nicht gekennzeichnet.
Doch
es finden sich nur vereinzelt interpretative Zusätze oder
Übersetzungen, wie das für sinngemäße
Übersetzungen typisch ist und sich auch bei philologischen
Übersetzungen vermehrt findet (in
mindestens 11-35% der
Verse).>
Diese
Übersetzungsmethode der Formalen
Gleichheit
passt am Besten zu den Ansprüchen, die die Bibel selbst stellt
– im Gegensatz zur so genannten Kommunikativen
Gleichwertigkeit
(auch sinngemäße
Übersetzung
genannt).
2.
Die Kommunikativ-gleichwertige Übersetzung:
Bei
dieser versucht der Übersetzer, möglichst genau die
Aussage
bzw. den Sinn des jeweiligen Bibelverses wiederzugeben. Dazu
untersucht er zuerst einmal, was der ursprüngliche
Verfasser sagen wollte (er interpretiert also dessen Aussageabsicht).
Das
Ergebnis seiner Untersuchung (dies ist dann aber nichts anderes als
seine eigene theologische Annahme) gibt er dann als den Bibeltext
seiner Übersetzung wieder, ohne jedoch zu kennzeichnen, was
seine Interpretation bzw. was lediglich eine einfache Wiedergabe
dessen ist, was im griechischen bzw. hebräischen Originaltext
steht.
Zu
den kommunikativ-gleichwertigen Übersetzungen zählen
für
mich die drei Untergruppen der philologischen
Übersetzung,
der sinngemäßen
Übersetzung
und der Übertragung.
In
Teil II
werde ich euch die fünf Bibelübersetzungen
ausführlich vorstellen, die ich empfehlen kann.
-> Weiter zu Teil II !
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